Azubis: Zeit und echte Wertschätzung
Oktober 10, 2025 8:02 pmAzubis wünschen sich vor allem Sicherheit und Wertschätzung
IHK-Umfrage liefert klare Hausaufgaben für Ausbildungsbetriebe im Mittelstand
Stuttgart. Die Generation Z setzt in der dualen Ausbildung deutliche Prioritäten: Ein sicherer Arbeitsplatz steht mit rund 70 Prozent an erster Stelle, dicht gefolgt von ausreichend Freizeit (69 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten betont die Bedeutung konkreter Aufstiegs- und Weiterbildungswege – noch vor einem „guten Einkommen“, das 46 Prozent als wichtig nennen. Auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit (45 Prozent) und eine Kultur echter Wertschätzung werden klar eingefordert. Drei Viertel der Azubis sind mit ihrem Ausbildungsbetrieb zufrieden; wer im Wunschberuf ausbildet, ist tendenziell glücklicher. Zugleich war für 46 Prozent die begonnene Ausbildung ursprünglich „Plan B“. Diese Ergebnisse stammen aus einer aktuellen Befragung der IHK Region Stuttgart unter Auszubildenden.
Einordnung für den deutschen Mittelstand
Für inhabergeführte Betriebe, Handwerk, Industrie-Zulieferer und Dienstleister bieten die Befunde eine selten klare Roadmap. In Zeiten knapper Bewerbermärkte entscheidet nicht allein die Ausbildungsvergütung. Junge Menschen erwarten Planbarkeit, Perspektive und persönliche Anerkennung – und sie vergleichen Arbeitgeber entlang dieser Kriterien.
1) Sicherheit sichtbar machen. Kommunizieren Sie frühzeitig Übernahmechancen – gern mit messbaren Kennziffern (z. B. „x % Übernahmequote der letzten drei Jahrgänge“). Legen Sie schon zu Beginn Etappenziele fest (Probezeit-Feedback, Zwischenprüfung, Übernahmegespräch), um Stabilität erlebbar zu machen.
2) Karrierepfade konkretisieren. Skizzieren Sie für jeden Beruf ein „2-plus-3-Modell“: zwei Jahre Ausbildung + drei Optionen danach (Spezialisierung, Meister/Techniker/Duales Studium, Projektrolle). Ein einfacher, grafisch aufbereiteter Wegweiser im Onboarding schafft Orientierung – und zahlt direkt auf Bindung ein.
3) Weiterbildung vor „Wohlfühlfloskeln“. Wenn Weiterbildung wichtiger ist als Gehaltssprünge, punkten Betriebe mit zertifizierten Kursen, internen Lernzeit-Kontingenten, Praxisprojekten und Tandem-Mentoring (Azubi + erfahrene Fachkraft). So wird Entwicklung planbar – ohne große Bürokratie.
4) Wertschätzung erlebbar machen. Wertschätzung beginnt im Alltag: vollständige Erklärung von Arbeitsaufträgen, Feedback im Wochenrhythmus, Namen und Leistungen im Team sichtbar machen (Shopfloor-Boards, Intranet-Spotlights), Azubis in Verbesserungsrunden einbinden. Kleine, verlässliche Rituale sind wirksamer als seltene Großevents.
5) Freizeit und Struktur vereinen. Flexible Schicht- oder Gleitzeitfenster, Tauschbörsen für Einsätze, planbare Lernphasen vor Prüfungen und faire Freizeitausgleiche für Zusatzdienste zeigen: Work-Life-Balance ist nicht nur ein Versprechen, sondern Prozess-Standard.
6) Wunschberuf stärken, Plan B gewinnen. Wer seinen Wunschberuf erlernt, ist messbar zufriedener. Nutzen Sie praxisnahe Berufsorientierung, Kurzpraktika und „Schnuppertage“ mit realen Aufgaben. Für „Plan-B-Azubis“ helfen persönliche Entwicklungspläne ab Monat 1, um Motivation und Passung zu steigern.
Konkrete Maßnahmenpakete für Ausbildungsbetriebe
Recruiting & Onboarding – Stellenanzeigen neu ausrichten: Sicherheit, Lernkurve und Übernahmechancen prominent in den ersten drei Bullet-Points; Ausbildungsinhalte mit echten Praxisbeispielen.
Onboarding-Sprint (erste 30 Tage): Mentor benennen, Wochenziele definieren, erstes Mini-Projekt übergeben, Abschluss-Feedbacktermin setzen.
Ausbildungsalltag & Bindung
- Wertschätzungs-Check-ins: 15-Minuten-Gespräche jede Woche (Was lief gut? Was war schwer? Was lernen wir daraus?).
- Ergebnisse kurz dokumentieren.
- Lernzeit im Kalender blocken: Feste Lernfenster pro Woche und strukturierte Prüfungsvorbereitung; interne Lernkarten, Q&A-Sessions mit Fachkräften.
- Sichtbarkeit schaffen: Azubi-Beiträge im internen Newsletter, kurze Demos in Teammeetings, Azubi-Tagebuch im Intranet.
Karriere & Perspektive
- Transparente Entwicklungsraster: „Junior – Fortgeschritten – Spezialist“ mit klaren Kompetenzbeschreibungen und Schulungsbausteinen.
- Weiterbildungsbudget je Azubi/Jahr: Klein, aber garantiert – inklusive Auswahlkatalog und Freigabeprozess in zwei Klicks.
- Übernahme-Pfad: Standardisiertes Gespräch drei Monate vor Abschluss, Checkliste fachlich/sozial, verbindlicher Zeitplan.
Nutzen für Mittelständler
- Geringere Abbruchquoten durch planbare Entwicklung und klare Übernahmeperspektiven.
- Schnellere Produktivität via Mini-Projekte, Mentoring und strukturierte Lernzeiten.
- Stärkeres Arbeitgeberprofil in Schulen, auf Messen und in Social Media – mit echten Inhalten statt Slogans.
Fazit
Die IHK-Befragung zeigt: Sicherheit, Freizeit, Weiterbildung, Sinn und Wertschätzung sind die Kernwährungen der Gen Z in der Ausbildung. Mittelständische Betriebe haben hier einen natürlichen Vorteil: kurze Wege, direkte Verantwortung und echte Gestaltungsspielräume. Wer diese Stärken sichtbar macht und mit klaren Prozessen unterlegt, steigert Zufriedenheit, Bindung und Leistungsfähigkeit – und gewinnt im Wettbewerb um Talente.
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Kategorie: Arbeitsmarkt, News, Ratgeber