
DHL und Temu: Strategische Kooperation mit Schattenseiten für den deutschen Onlinehandel?
April 15, 2025 1:43 pmVorteile für Temu aber Nachteile für KMU
Während zahlreiche deutsche Onlinehändler noch mit den angekündigten DHL-Zuschlägen für das Versandaufkommen in der Hochsaison („Peak Fees“) beschäftigt sind, kündigt sich bereits die nächste bedeutende Entwicklung an: DHL wird seine Partnerschaft mit der chinesischen E-Commerce-Plattform Temu weiter ausbauen. Laut offizieller Mitteilung soll diese Zusammenarbeit insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Onlinehandel neue Chancen eröffnen – durch effizientere Logistikprozesse, lokalisierten Handel sowie eine verbesserte Markterschließung. Was auf den ersten Blick vielversprechend klingt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als problematisch.
Temus „Local-to-Local“-Modell: Mehr Schein als Realität?
Zentrales Element der Partnerschaft ist Temus sogenanntes „Local-to-Local“-Modell. Ziel ist es, europäische Händler mit europäischen Kunden zu verbinden – unter Nutzung lokaler Lager und Vertriebsstrukturen. Temu prognostiziert, dass dieses Modell bis zu 80 % des Umsatzes innerhalb der EU ausmachen könnte. Allerdings zeigt sich in der Praxis ein anderes Bild: Das Kerngeschäft von Temu basiert weiterhin auf Direktimporten aus China – ohne Zwischenschritte und Zwischenhändler. Dies wird durch eigene Marketingaussagen wie „Keine Zwischenhändler – große Rabatte“ unterstrichen. Temus Fulfillment-Strukturen zeigen zudem, dass vor allem chinesische Anbieter von Direktversand profitieren, während europäische Händler ihre Waren vor Ort zwischenlagern müssen. Zudem berichten Händler, die auf Temu verkaufen möchten, von massivem Preisdruck. Die von der Plattform akzeptierten Basispreise liegen häufig deutlich unterhalb des üblichen Marktpreises. Diese Praxis führte bereits dazu, dass der Handelsverband Deutschland (HDE) eine Beschwerde beim Bundeskartellamt einreichte.
Kostenbelastung durch DHL-Gebühren trifft besonders KMU
Zeitgleich mit der angekündigten Intensivierung der DHL-Temu-Zusammenarbeit plant DHL zusätzliche Versandzuschläge – etwa 0,50 € pro Paket während der „Black Friday“-Phase. Diese Gebühren erhöhen die Kosten für viele kleinere Händler, die nicht über die Verhandlungsmacht verfügen, individuelle Konditionen zu vereinbaren. Das Ergebnis: Während Temu mit aggressiver Preisstrategie Marktanteile gewinnt, steigen für etablierte Händler die Versandkosten – ein doppelter Nachteil für den Mittelstand.
Wettbewerbsverzerrung durch ungleiche Bedingungen
Die Kooperation wird öffentlich als Chance für europäische Anbieter positioniert, doch tatsächlich droht eine Verschärfung des Wettbewerbsdrucks. Insbesondere folgende Risiken ergeben sich für kleinere Anbieter:
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Verstärkte Preisunterbietung durch Direktverkäufe chinesischer Hersteller
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Abhängigkeit von Plattformen mit begrenztem Einfluss auf Preisgestaltung
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Markenverwässerung durch Plattform-Marketing
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Steigende Logistikkosten bei gleichzeitig sinkenden Margen
Unterschiedliche Standards beim Paketversand – ein problematisches Signal
Für viele deutsche Onlinehändler wirkt die aktuelle DHL-Strategie widersprüchlich: Während lokale Anbieter mit höheren Versandkosten belastet werden, profitieren volumenstarke Partner wie Temu von bevorzugten Abwicklungen. Dies obwohl die massive Zahl an Temu-Sendungen mit zur Einführung der Peak-Gebühren beiträgt. Gleichzeitig profitieren Plattformen wie Temu von individuell verhandelten Versandkonditionen – auf Kosten der übrigen Marktteilnehmer.
Staatliche Beteiligung an DHL – und Unterstützung eines fragwürdigen Geschäftsmodells
Besonders kritisch wird dieser Vorgang im Licht der Eigentümerstruktur von DHL betrachtet: Der größte Anteilseigner ist die staatliche KfW-Bank. Angesichts dessen stellt sich die Frage, inwiefern eine solche Kooperation mit einer Plattform, die häufig für fehlende Transparenz, Umweltprobleme und Qualitätsmängel kritisiert wird, mit einer nachhaltigen Marktstrategie vereinbar ist. DHL hat als bedeutender Logistikakteur im europäischen E-Commerce eine besondere Verantwortung. Statt jedoch faire Wettbewerbsbedingungen zu fördern, könnte die enge Anbindung an Temu zu einer Marktverzerrung führen, die etablierte, regelkonforme Händler benachteiligt. Die Botschaft scheint klar: Verkaufsvolumen erhält Vorrang vor Qualität. Während deutsche Händler in Service, rechtliche Standards und Produktsicherheit investieren, werden sie mit steigenden Kosten konfrontiert – während ein internationaler Anbieter mit aggressiver Preispolitik logistische Vorteile erhält, unterstützt durch ein Unternehmen mit staatlicher Beteiligung.
Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen zur Fairness und Zukunftsfähigkeit des deutschen Onlinehandels auf.
Stichwörter: Kooperationen, Strategie
Kategorie: E-Commerce, News, Ratgeber, Wirtschaft