Strategischer Dialog zur Zukunft der EU-Landwirtschaft: Abschlussbericht
September 4, 2024 2:02 pm Schreibe einen KommentarHerausforderungen und Chancen
Sieben Monate nach dem Start des Strategischen Dialogs über die Zukunft der Landwirtschaft der EU hat der Vorsitzende des Forums, Professor Peter Strohschneider, den Abschlussbericht an Kommissionspräsidentin Ursulavon der Leyen übergeben. Der Bericht bewertet Herausforderungen und Chancen und gibt eine Reihe von Empfehlungen. Er wird als Richtschnur dienen für die Vision der Europäischen Kommission für den Bereich Landwirtschaft und Ernährung, die in den ersten hundert Tagen der zweiten Amtszeit von Präsidentin von der Leyen vorgelegt werden soll.
Wichtige Impulse, Kultur des gegenseitigen Verständnisses
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beglückwünschte die Mitglieder des Forums zu ihrer wichtigen Arbeit: „Meine Bitte war, einen neuen Konsens zu erzielen – und genau das haben sie nun erreicht. Die Tatsache, dass eine so vielfältige Gruppe eine Einigung auf gemeinsame Empfehlungen erzielen kann, muss als Erfolg und als Modell für die Zukunft betrachtet werden.“ Der Bericht enthalte einige sehr nützliche Ideen für die Erarbeitung der neuen Vision für diesen Bereich: „Wir alle wollen einen florierenden und vielfältigen Agrar- und Ernährungssektor auf unserem Kontinent, der unseren Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt und unsere Landwirtinnen und Landwirte dafür belohnt, nachhaltiger mit unserem wertvollen Naturerbe zu wirtschaften.“
Professor Peter Strohschneider sprach von einer intensiven Arbeit der Mitglieder des Strategischen Dialogs: „Sie haben dabei eine neue Kultur des gegenseitigen Verständnisses und der Kommunikation entwickelt. Diese gemeinsamen Perspektiven, auf die sich die Interessenvertreter des gesamten Politikfeldes geeinigt haben, bilden einen ganzheitlichen und gesellschaftlichen Ansatz zur Verwirklichung der umwelt-, klima-, wirtschaftlichen und soziopolitischen Ziele der EU. Ich hoffe sehr, dass die Energie, die Originalität und die Kollegialität des Strategischen Dialogs auch in Zukunft für ähnliche Zwecke aufrechterhalten werden kann.”
Konsens zwischen den wichtigsten Interessenvertretungen
Der von den 29 Mitgliedern des Strategischen Dialogs einstimmig beschlossene Bericht trägt den Titel „Eine gemeinsame Perspektive für Landwirtschaft und Ernährung in Europa“. Die Kommission würdigte das konstruktive und außerordentliche Engagement der Beteiligten, basierend auf Dialog und dem gegenseitigen Verstehen der unterschiedlichen Standpunkte. Die Ergebnisse machen deutlich, dass zwischen den wichtigsten Interessenvertretungen aus der Gesamtheit des Agrar- und Ernährungssystems ein Konsens erzielt werden kann, gerade auch in Zeiten der Polarisierung im Zusammenhang mit der öffentlichen Debatte über Agrar- und Ernährungsfragen.
Dieser partizipative Ansatz kann dazu beitragen, dauerhafte Entwicklungsperspektiven für wettbewerbsfähige, resiliente, vielfältige und nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme in der EU zu erreichen. Die Kommission wird daher die Empfehlung genau bewerten, eine neue Plattform/ein neues Forum einzurichten für den Austausch von Akteuren aus dem gesamten Agrar- und Ernährungssektor, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Das Ziel: Strategien für nachhaltigere und resilientere Agrar- und Ernährungssysteme.
Inhalte des Berichts
Der Bericht des Strategischen Dialogs hält fest, dass Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugung ein existenzieller Bestandteil für Gesellschaft und strategische Ausrichtung der EU sind. Die Mitglieder des Strategischen Dialogs sind sich einig, dass sich die wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Agrar- und Ernährungssektor gegenseitig verstärken kann, insbesondere, wenn sie durch kohärente politische Maßnahmen unterstützt wird. Auch die Rolle von Märkten, Ernährungsumgebungen und Innovationen für die Förderung der Nachhaltigkeit wird hervorgehoben.
Die im Bericht dargelegten Empfehlungen sind unter anderem:
- Zusammenarbeit für eine nachhaltige, resiliente und wettbewerbsfähige Zukunft, u.a. durch eine Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), Stärkung der Position von Bäuerinnen und Bauern;
- Unterstützung und Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktionsverfahren, im Pflanzenbau wie in der Tierhaltung, eine stärkere Aufmerksamkeit für Tierwohl sowie die Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Entscheidung für eine nachhaltige und ausgewogene Ernährung.
- Stärkung von Risikomanagementinstrumenten und dem Krisenmanagement insgesamt: landwirtschaftliche Flächen besser erhalten und bewirtschaftet, eine wasserresistente Landwirtschaft fördern und innovative Ansätze für das System der Pflanzenzucht entwickeln.
- Aufbau eines attraktiven und vielfältigen Sektors, mit Blick auf Generationenwechsel, die Gleichstellung der Geschlechter sowie zum Erhalt lebenswerter ländlicher Gebiete und für attraktive Arbeitsbedingungen.
- Besserer Zugang zu und bessere Nutzung von Wissen und Innovation, dabei auch die Chancen der Digitalisierung nutzen.
Der im Rahmen des Strategischen Dialogs über die Zukunft der Landwirtschaft der EU erstellte Bericht ist an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und Interessenvertretungen in diesem Bereich gerichtet.
Hintergrund
Präsidentin von der Leyen hatte in ihrer Rede zur Lage der Union im September 2023
den Strategischen Dialog angekündigt und ihn im Januar 2024 eingeleitet. In dem Forum haben 29 wichtige Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter aus dem europäischen Agrar- und Ernährungssektor, der Zivilgesellschaft, der ländlichen Gemeinschaften und der Wissenschaft zusammengearbeitet, um ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Vision für die Zukunft der Agrar- und Ernährungssysteme der EU zu erreichen.
Vier Fragen haben den Rahmen gesetzt und entsprechende Arbeitsgruppen beschäftigt:
- Wie können wir unseren Landwirten und ländlichen Räumen, eine bessere Perspektive, einschließlich eines angemessenen Lebensstandards, bieten?
- Wie können wir die Landwirtschaft unter Achtung der Grenzen unseres Planeten und seines Ökosystems unterstützen?
- Wie können wir die enormen Chancen, die uns Wissen und technologische Innovation bieten, besser nutzen?
- Wie können wir dafür sorgen, dass das europäische Agrar- und Ernährungssystem in einer vom Wettbewerb geprägten Welt eine erfolgreiche und prosperierende Zukunft vor sich hat?
Von Januar bis August 2024 fanden sieben Plenarsitzungen des Strategischen Dialogs statt, an denen Präsidentin von der Leyen zwei Mal teilnahm. Darüber hinaus hat der Vorsitzende, Professor Strohschneider, EU-weit tätige Organisationen dieses Politikfeldes eingeladen, sich im Rahmen einer Konsultation mit Beiträgen zu beteiligen. Er hat an diversen Sitzungen des Rats, des Europaparlaments, des Kommissions-Kollegiums teilgenommen und sich mit Vertretern des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen ausgetauscht.
Redaktionelle Infos
Status und Ziele der EU Agrarpolitik
Die EU-Agrarpolitik (GAP) 2023-2027 verfolgt eine faire und nachhaltige Landwirtschaft, insbesondere durch die Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe sowie den Umweltschutz. Die GAP sieht für den Zeitraum 2021-2027 ein Budget von **387 Milliarden Euro** vor, das aus zwei Hauptfonds besteht: dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) mit **291,1 Milliarden Euro** und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) mit **95,5 Milliarden Euro**.
**Verteilung der Gelder**:
– **Große Betriebe** erhalten weiterhin den Großteil der Direktzahlungen. Allerdings wird die Einkommensstützung zugunsten kleinerer Betriebe umverteilt, da EU-Mitgliedstaaten **mindestens 10%** der Direktzahlungen an kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe weiterleiten müssen.
– **Kleinere Betriebe** werden stärker gefördert. Zusätzlich sind **3% des Direktzahlungsbudgets** für junge Landwirte reserviert, um Neugründungen zu unterstützen.
**Umweltschäden**:
Die intensivierte Landwirtschaft hat insbesondere negative Auswirkungen auf die **Bodenqualität** und **Wasserressourcen**. Der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden verschlechtert die Bodenstruktur und reduziert die Artenvielfalt. Zudem kommt es vermehrt zu Nährstoffeinträgen in Gewässer, was deren Qualität beeinträchtigt. Die EU hat darauf reagiert, indem sie **40% des GAP-Budgets** für klimarelevante Maßnahmen vorsieht und plant, bis 2030 **10% des EU-Haushalts für Biodiversitätsziele** zu verwenden.
**Exporte**:
Die EU ist einer der weltweit größten Exporteure von Agrarprodukten. Im Jahr 2022 betrugen die Exporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse **229,8 Milliarden Euro**. Die wichtigsten exportierten Produkte sind Getreide, Wein, und Molkereiprodukte.
Die EU versucht mit dieser Politik, die Herausforderungen von Umweltbelastungen und Ungleichheiten in der landwirtschaftlichen Unterstützung anzugehen.
Quellen:
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/gap-2023.html
https://agriculture.ec.europa.eu/common-agricultural-policy/cap-overview/cap-2023-27_de
Das Forum des *Strategischen Dialogs über die Zukunft der Landwirtschaft der EU* setzt sich aus 29 Mitgliedern zusammen, die eine Vielzahl von Interessengruppen vertreten. Darunter befinden sich Vertreter aus der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, dem Umweltschutz, Wissenschaft, Verbraucherschutz, sowie Finanzinstitutionen und Einzelhändlern. Dies zeigt eine breite gesellschaftliche Beteiligung, bei der nicht nur politische Akteure, sondern auch Vertreter verschiedener Sektoren eingebunden sind.
Ziel des Dialogs ist es, eine gemeinsame Vision für die Zukunft des Agrar- und Lebensmittelsystems der EU zu entwickeln. Die Themen umfassen unter anderem die Unterstützung der Landwirte, die nachhaltige Nutzung der Ressourcen sowie die Herausforderungen durch den Klimawandel und die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene.
Trotz der prominenten Rolle von Vertretern der Politik, wie z. B. dem Vorsitzenden Professor Peter Strohschneider, der zuvor auch die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft leitete, sind viele der Teilnehmenden keine politischen Vertreter. Vielmehr repräsentieren sie wichtige Interessen in Bereichen wie Umwelt, Landwirtschaft und Wirtschaft, um gemeinsam an Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft zu arbeiten.
Quellen
https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal/agriculture-and-green-deal/strategic-dialogue-future-eu-agriculture_de
https://agriculture.ec.europa.eu/common-agricultural-policy/cap-overview/main-initiatives-strategic-dialogue-future-eu-agriculture_en?prefLang=de
https://www.fruitnet.com/fruchthandel/prof-peter-strohschneider-zum-vorsitzenden-des-strategiedialogs-zur-zukunft-der-landwirtschaft-in-europa-berufen/258059.article